Jetzt mal ehrlich…
Mein Freund Lars hat seit seiner frühsten Kindheit einen gefährlichen Defekt: Er ist immer und jederzeit ehrlich. Nicht nur, dass er sagt, was er denkt. Viel schlimmer: Er spricht ganz frei darüber, was er fühlt und was er möchte. Wenn ich ebenso ehrlich wäre wie Lars, müsste ich ihm eigentlich sagen: „Unsere Freundschaft ist seit Jahren beendet. Ich hasse dich. Deine Ehrlichkeit ist nicht auszuhalten. Sie ist verletzend und peinlich. Ja, vor allem peinlich ist sie.“ Da ich aber nicht Lars bin, sondern nur durchschnittlich ehrlich, sage ich nichts. Gar nichts. Stehe nur peinlich berührt da, wenn er mit einem Becks Gold in der Hand zu einer hübschen Brünetten sagt: „Diese süsse Plörre trinke ich nur, weil man sich damit Freunde macht. Und weil die Attitüde von Zeitgeist, Freiheit und Unkonventionalität auch gut bei den Weibern ankommt. Außerdem schätze ich die enthemmende Wirkung des Alkohols, ohne die kriege ich keinen geraden Satz heraus.“ Als ich wieder aufblicke, ist die Brünette verschwunden. Ich mache nicht den Versuch, Lars zu erklären, dass es Dinge gibt, die zwar alle machen, aber über die man besser nicht redet. Weil man sonst für bescheuert gehalten wird. Und draußen ist. Wenn man zum Beispiel offen bekennt, dass man Werbung ernst nimmt. Dass man ihren Markenversprechen glaubt und nach ihnen handelt. Das tun zwar alle… . „Aber Lars! …. Verdammt nochmal Lars, das gibt man doch nicht zu!!!“ Das wäre ja so, als würde man auf einem Elternabend im Waldorfkindergarten dazu stehen, dass man mit seinen Kindern zu MacDonald geht, weil das so schön praktisch ist (Ich gehe übrigens auch niemals mit meinen Kindern zu MacDonald. Meistens.). Lars wird seine Lektion vielleicht noch lernen. Oder auch nicht. Eigentlich bin ich auch gar nicht sein Freund. Das hatte ich ja schon gesagt. Und die ganze Geschichte hier habe ich mir sowieso nur ausgedacht. Wie die Bacardi-Werbung, die auch keiner glaubt.